Intensivtierhaltung begrenzen
Der Bau von Intensivmastanlagen trifft bei den Bürgerinnen und Bürgern auf immer stärkere Vorbehalte hinsichtlich des Tier-, Gesundheits- und des Umweltschutzes. Möglicherweise zu erwartende Genehmigungen und Anträge für Intensivmastanlagen lassen die Sorgen in der Bevölkerung wachsen. Damit setzt sich die SPD-Fraktion im Gudensberger Stadtparlament intensiv auseinander.
In früheren öffentlichen Veranstaltungen haben wir uns zunächst vor allem mit den bundesrechtlichen Vorgaben des Baugesetzbuches auseinander gesetzt, denn die kommunalen Einflussmöglichkeiten sind sehr begrenzt.
Schon bei unserer Podiumsdiskussion: "Hauptsache günstig? Agrarpolitik und Massentierhaltung – Die Zukunft der Landwirtschaft in der ländlichen Region (SPD-Bundestagsfraktion vor Ort)" in Gudensberg am 27. Juni 2012 war der landwirtschaftliche Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Wilhelm Priesmeier, dabei. Auf Einladung der Stadt Gudensberg nahm er an der Informationsveranstaltung mit dem Thema Wie sieht die Zukunft der Landwirtschaft und Viehhaltung in unserer Region aus? in diesem Jahr teil. Da ging es gerade die bundesrechtlichen Vorgaben des Baugesetzbuches.
Aktuell fehlt es den Kommunen nach dem Baugesetzbuch an Einflussmöglichkeiten zur Steuerung und Begrenzung von Fehlentwicklungen in der Intensivtierhaltung. Wir setzen uns deshalb von Beginn an für eine Änderung des umstrittenen § 35 im Baugesetzbuch einsetzen. Der §35 passt nicht mehr in die heutige Zeit weil er die industrielle Landwirtschaft fördert. Mit sogenannten privilegierten Vorhaben im Außenbereich ist es der Kommune kaum möglich, eine Genehmigung zu entsagen.
Veränderungssperre im Stadtparlament beschlossen
Die Ausweitung bestehender landwirtschaftlicher Betriebe soll jedoch seitens der Kommune gesteuert werden können. Daher hatten wir uns für eine Veränderungssperre ausgesprochen, die uns eine 2-jährige Planungszeit zur Steuerung von Intensivtierhaltungsanlagen einräumt. In dieser Zeit sind keine Baupläne für neue und erweiterte Mastanlagen möglich. Nun gilt es, in einer neuen Bebauungsplanung die kommunalen Steuerungsmöglichkeiten wahrzunehmen.
Wir werden uns jedoch weiter dafür einsetzen, dass die kommunale Selbstverwaltung gestärkt wird, insbesondere bezüglich einer entsprechenden Änderung des $ 35 BauGB. Die möglichen Maßnahmen zur Begrenzung von lntensivmastanlagen im Bereich des Baurechtes, des lmmissionsschutzes, der Gesundheitsvorsorge und des Düngerechtes sind von der Stadt zu leisten, weitergehende Maßnahmen sind vom Gesetzgeber weiter zu fordern und zu unterstützen.
Positionspapier der SPD-Fraktion zur Intensivtierhaltung
Wir haben uns als Fraktion im Stadtparlament in einem andauerenden Informations- und Entscheidungsprozess sehr detailliert um alle Umstände der Intensivtierhaltung auseinander gesetzt. Die Diskussion führte uns zu einer gemeinsamen Position der SPD-Fraktion, die einstimmig von allen Mitgliedern verabschiedet worden ist:
Kommunale Steuerung von Intensivtierhaltungsanlagen
Positionspapier der SPD-Fraktion
I. Hintergrund
Die Städte und Gemeinden werden mit Ansiedlungswünschen für Intensivtierhaltungsanlagen konfrontiert.
Hintergrund ist der Strukturwandel in der
Landwirtschaft, der die Betriebe von einer bäuerlichen Wirtschaftsweise hin zu einer gewerblichen Form der Tierhaltung drängt. Einerseits ist dies auf Fleischproduzenten zurückzuführen, die im Rahmen der Veredelungskette Vertragsmastbetriebe anwerben. Andererseits sehen viele landwirtschaftliche Betriebe den Mastbetrieb als eine sinnvolle wirtschaftliche Ergänzung oder Investition und zum Teil auch als eine überlebensnotwendige Erweiterung des eigenen Betriebs. Darüber hinaus ist in Gudensberg eine Modernisierung und Erweiterung des ansässigen Schlachtbetriebes im Gange.
II. Die Problematik der Intensivtierhaltung
Die Ansiedlung von Intensivtierhaltungsbetrieben geht mit erheblichen Konflikten
vor Ort einher. Im Chattengau hat sich eine aktive Bürgerinitiative gebildet, die gegen die Missstände der Massentierhaltung demonstriert und weitere Ansiedlungen verhindern will. Darüber hinaus stellt sie sich gegen eine Erweiterung des bestehenden Schlachtbetriebes in Gudensberg. Aber auch seitens der Bevölkerung und der Kommune bestehen Bedenken gegen eine zunehmende Intensivtierhaltung.
Der Widerstand gegen diese Anlagen wird aus unterschiedlichen Motiven gespeist:
Im Zentrum der kontroversen Diskussion vor Ort steht regelmäßig die mit den Anlagen verbundenen Immissionsbelastungen. Das Immissionsschutzrecht und die entsprechenden Abstandsgebote werden oftmals als unzureichend empfunden. Insbesondere Geruchsbelästigungen die vom Schlachtbetrieb, aber auch von der benachbarten Tierfutterproduktion sowie von ortsnahen Stallbauten ausgehen, werden angeprangert.
Darüber hinaus können die Stallungen das Orts- und Landschaftsbild beeinträchtigen und die Eigenart ländlicher Räume als Naherholungs- und Tourismusgebiete in Frage stellen.
Insbesondere von kommunaler Seite wird zunehmend befürchtet, dass weitere Ansiedlungen auch wichtige Potentiale für eine zukünftige Siedlungsentwicklung zerstören könnten.
Darüber hinaus werden Gründe des Tierschutzes gegen die nicht artgerechte Haltung der Masttiere angeführt.
Weitere Bedenken entstehen bei einer Überdüngung der Böden mit entsprechenden Gefahren für die Oberflächengewässer und dem Trinkwasser.
Ängste bestehen auch im Hinblick auf zunehmende Antibiotikaresistenzen und bei der gesundheitlichen Gefährdung der Bevölkerung.
III. Position der SPD-Fraktion
Der Schutz der Bürger und der Natur vor schädlichen Einwirkungen, Klimaschutz und Tierschutz sind für uns auch Verpflichtung in unserem kommunalen Handeln.
Die SPD-Fraktion im Gudensberger Stadtparlament spricht sich deshalb gegen die Errichtung von weiteren Mastanlagen aus, in denen Tiere in großer Zahl nicht artgerecht und damit ethisch nicht verantwortbar gehalten werden und von denen schädliche Emissionen ausgehen.
Die SPD-Fraktion in Gudensberg wird alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen um den Bau solcher Anlagen zur Intensivtierhaltung, die den oben genannten Anliegen entgegenstehen, zu verhindern.
Wir sprechen uns deutlich für einen verbesserten Tierschutz mit hohen Tierschutzstandards und artgerechter Tierhaltung aus. Dabei steht für uns das Gemeinwohl im Vordergrund und wir fordern alle politisch Verantwortlichen auf, sensibel mit dem Thema umzugehen, d.h. weder Probleme zu leugnen, noch Ängste bei der Bevölkerung zu schüren.
Es gilt eine regionale und tiergerechte Qualitätsproduktion zu stärken, damit Nahrungsmittel vor Ort hergestellt, verarbeitet und verkauft werden. Es muss der Verbraucher sensibilisiert werden, woher wir unsere Lebensmittel beziehen und wie sie erzeugt werden. Es liegt letztlich am Kaufverhalten der Verbraucher, wie nachhaltig eine regionale und tiergerechte Nahrungsmittelerzeugung sich durchsetzen kann.
Diese Erkenntnis ist umso bedeutender als klar sein muss, dass die Kommune mit ihren Planungs- und Steuerungsmöglichkeiten eine Intensivtierhaltung nicht grundsätzlich verhindern kann. Auch der bestehende Geflügelschlachtbetrieb kann nicht verdrängt werden, denn Tiere aus artgerechter Tierhaltung müssen auch geschlachtet werden und dies nach den hohen europäischen Standards nach der Richtlinie 93/119/EG.
In der weiteren Arbeit der SPD-Fraktion haben wir uns auch deutlich gemacht, was der Auftrag der kommunalpolitischen Repräsentanten tatsächlich ist:
>>Der Schutz der Bürgerinnen und Bürger und der Natur ist unsere Verpflichtung<<
Bei der Genehmigungspraxis von Intensivtierhaltungsanlagen sind wir uns bewusst, dass es für Kommunen nach aktueller Gesetzeslage nur geringe Einflussmöglichkeiten gibt und eher nur Steuerungsmöglichkeiten anstatt von Verhinderungsmöglichkeiten bestehen. Dies wird in Gudensberg ja derzeit mit der Veränderungssperre und dem Bebauungsplan zur Steuerung der Intensivtierhaltung praktiziert.
Wir haben unserer kommunalpolitischen Arbeit ein Leitgedanke vorangestellt.
Der Leitgedanke:
>> Der Schutz der Bürger und der Natur vor schädlichen Einwirkungen, sowie Klimaschutz und Tierschutz sind für uns Verpflichtung in unserem kommunalen Handeln.
Mit unseren kommunalpolitischen Entscheidungen wollen wir den Anspruch der Bürgerinnen und Bürger auf Vermeidung von künftigen unzumutbaren Beeinträchtigungen und Gefährdung realisieren. <<
Nochmals: Wir haben nur eingeschränkte Steuerungsmöglichkeiten. Umso wichtiger ist es, konsequent künftige Beeinträchtigungen und Gefährdungen zu vermeiden. Das ist unser kommunalpolitischer Auftrag!
Mit Blick auf die Beschlussfassung über die Flächennutzungs- und die Bebauungsplanes des Gewerbegebietes Am Odenberg ist sich die Fraktion einig:
1. Auf dem ersten Bauabschnitt ist der frühere Beschluss zu bekräftigen, dass auf diesem Grundstück der Geflügelschlachtbetrieb eine Abluftanlage zur Vermeidung von Geruchsemissionen bauen kann.
2. Auf dem zweiten Bauabschnitt die Einstellung der Tierfutterproduktion erfolgen muss, um Geruchsemissionen zu vermeiden.
3. Die Veränderungssperre genutzt werden muss, um Intensivtierhaltungsanlagen so zu beplanen, dass Mindestabstände zur Wohnbebauung geschaffen werden, dass schutzwürdige Räume erhalten und gesichert werden und auch dem Tagestourismus Rechnung getragen wird.
Damit werde die zwei Hauptgeruchsemittenten behandelt und Geruchsentstehung künftig vermieden.
Debatte um Gewerbegebiet "Am Odenberg"
Debatte um Ausnahmen von der Veränderungssperre Teil 1