HNA am 15. Januar 2021
Das Interview:
Die Gudensberger SPD-Fraktion musste in jüngster Zeit viel öffentliche Kritik einstecken. In einer Sitzung wurde ihr unter anderem Politikverdrossenheit vorgeworfen. Auch Parteizwang wurde mit der Fraktion assoziiert. Dazu kommt, dass es neue politische Gruppierungen gibt, die eine Mehrheit der SPD im nächsten Stadtparlament verhindern wollen. Sind die Tage der Gudensberger SPD also gezählt? Wir sprachen mit dem Fraktionsvorsitzenden Michael Höhmann.
Herr Höhmann, ein öffentlicher Rücktritt eines Stadtverordneten verbunden mit harscher Kritik am Arbeitsstil der Fraktion. Ein Zeichen für die SPD, andere Wege einzuschlagen?
Wir reden von drei Mandatsträger, die die SPD verlassen haben. Alle an die 70 Jahre alt. Aber ich möchte mich aus aktuellem Anlass auf den Fall Meisterfeld beschränken. Am Tag vor seinem Rücktritt aus der Fraktion gab es eine Klausur, in der wir unser Wahlprogramm erarbeiteten. Seine Anregungen wurden aufgenommen und sogar erweitert. Einen Tag später gab er seinen Rücktritt bekannt. In meinen Augen wollte er keine weitere Zusammenarbeit mit der SPD und sein Rücktritt war vorbereitet. Nun ist er auf der Kandidatenliste der Grünen. Also würde ich nicht sagen, dass wir unsere Mitglieder nicht ernstnehmen. Im Gegenteil, mit den Stadtverordneten, den Stadträten und Ortsbeiratsmitgliedern sind wir bis zu 30 Mitstreiter, die intensiv um Beschlüsse und Programme diskutieren. Meine Rolle ist eher die eines Moderators.
Parteizwang und Politikverdrossenheit gibt es in ihren Augen nicht in ihrer Fraktion?
Wir sind die größte Fraktion in Gudensberg. Unsere permanente Aufgabe ist es, dass wir Mitstreiter gewinnen. Nun haben wir für die anstehende Wahl 34 Kandidaten im Alter von 24 bis 70 Jahren, männlich und weiblich. Sie alle haben eigene unterschiedlichen Interessen und sind vielfältig ehrenamtlich tätig. Das sind unter anderem Lehrer, Ingenieure und Hausmeister, sehr vielfältig. Alleine die Zusammensetzung der Fraktion macht es unmöglich, einen Parteizwang aufzudrängen. Unser Team ist hoch motiviert, jeder bringt sich in die kommunalpolitische Arbeit ein – von Politikverdrossenheit ist keine Spur zu sehen.
Nichtsdestotrotz, wird ihrer Fraktion nachgesagt, dass Alleingänge nicht gern gesehen werden.
Wir halten es schon immer so, dass wir aus Solidarität den Bürgern gegenüber stets einen Konsens suchen, zu dem alle stehen können. Die parlamentarische Arbeit ist nur die Hälfte von dem, was wir wirklich machen. Die Öffentlichkeitsarbeit u..a. mit Faktenblättern und Videobeiträgen nimmt viel Zeit in Anspruch und wir sind alle ehrenamtlich tätig. Für viele mag es komisch sein, wenn in Sitzungen einstimmige Ergebnisse rauskommen. Die ausgiebigen Diskussionen zu vielen recht komplexen Themen bringen uns dazu, alle Meinungen und Argumente aufzugreifen und zu würdigen. Grundsätzlich haben wir nun mal eine sozialdemokratische Sichtweise, die von Solidarität und der Orientierung am Gemeinwohl geprägt ist.
Fakt ist aber, dass sich neue Gruppierungen formen, die genug haben von der aktuellen Zusammenstellung des Parlamentes.
Mein persönliches Ziel ist es, die stärkste Fraktion zu bleiben, um Gudensberg weiterhin im beschriebenem Sinn gestalten zu können. Über das Zwei-Parteien-System bin ich gerade auch nicht glücklich. Ich habe nicht verstanden, warum die Grünen kurz vor Ende der Wahlperiode einfach aufgeben konnten.
Aber Vielfalt tut gut und wir sehen den Wahlen positiv entgegen. Allerdings werden einige schon schauen müssen, wie parlamentarische Arbeit überhaupt funktioniert. Die ist auch interfraktionell zu leisten. Aber dafür arbeiten wir auch gerne mit allen Fraktionen zusammen – in Gudensberg stets konsensorientiert, was bisher immer gut gelungen ist und als Gudensberger Modell bezeichnet wird..
Sie freuen sich also über frischen Wind?
Uns geht es nicht darum, die Königskrone zu bekommen, sondern um die Gemeinschaft. Günstigere Steuern und Gebühren sind beispielsweise etwas, was wir vorangetrieben haben und nicht erst zur Wahl. In Gudensberg lebt es sich vergleichsweise sehr günstig bei bestens ausgebauter Infrastruktur. Ich frage mich also, wo der Unmut der Freien Wähler beispielsweise gegenüber der SPD rührt. Wir laden sie gern zur Mitarbeit ein. Aussagen, dass unsere Zeit abgelaufen wäre, sind umangemessen – Gudensberg steht absolut erfolgreich da. Es ist aber bemerkenswert, wie viele Menschen sie mobilisieren konnten. Ich hoffe nur, dass Ideen ins Gemeinwohl umgesetzt werden und nicht in Einzelinteressen.
Wo glauben Sie könnte es Streitpunkt geben bei der zukünftigen interfraktionellen Zusammenarbeit?
Ein Beispiel: Aktuell möchten wir Anreize für energieeffizientes Bauen durch Förderprogramme schaffen und das in den Kaufverträgen festhalten. Die CDU ist anderer Meinung. Da müssen wir jetzt eine verträgliche Lösung finden und das könnte zum Knackpunkt werden. Auch das Verkehrskonzept ist so ein Beispiel. Da ist beispielsweise das Nadelöhr an der VR-Bank. Dort muss der Verkehr umgelenkt werden, möglicherweise mit einer Einbahnstraße. Entlastung würde ein Kreisel an der Autobahnauffahrt bringen, denn dann würde die Umgehungsstraße mehr benutzt werden. Auch der Ausbau des Nahverkehrs ist wichtig. Wir haben stets die ganze Stadt im Blick. Aber diese Themen benötigen nun mal Zeit, genau wie unser Städtebauförderprogramm, das geht auch bis 2030.