Fraktionsvorsitzender Michael Höhmann für die SPD-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung vom 22. November 2019. Es gilt das gesprochene Wort.
Herr Stadtverordnetenvorsteher, meine Damen und Herren,
was verbirgt sich hinter dem Tagesordnungspunkt?
Ein echtes Dilemma!
Eigentlich ist unser Credo, jegliche Belastung für die Bürgerinnen und Bürger vergleichsweise niedrig zu halten.
Und nirgendwo lebt es sich ja vergleichsweise günstiger, als in Gudensberg, wenn wir uns zum Beispiel dem Kreisvergleich stellen. Und das obwohl wir unsere Hausaufgaben gemacht haben, obwohl wir keinen Investitionsstau haben und obwohl wir eine hervorragend ausgebaute Infrastruktur haben.
Und nun drohen uns Defizite im sogenannten Ergebnishaushalt ab dem kommenden Jahr.
Schon seit 2015 zwingt uns die Entwicklung der Defizite im Bereich der Kinderbetreuung an den Rand dessen, was noch bei den gegebenen Rahmenbedingungen erträglich ist.
Wir haben, meine Damen und Herren, die Bürgerinnen und Bürger vor Steuererhebungen so lange schonen wollen, wie es nur möglich war!
Die Defizite in der Kinderbetreuung nehmen aber kontinuierlich zu und sind kaum noch tragbar. Bald erreichen wir die 2 Millionen EURO-Grenze!
Um es gleich vorweg zu sagen: Mit Gebührenerhöhungen ist das nicht zu deckeln!
Es ist ein Fass ohne Boden für die Kommunen! Ja, das ist kein Gudensberger Phänomen! Haushaltsschieflagen bestehen oder drohen unmittelbar und überall in den hessischen Kommunen!
Meine Damen und Herren,
eigentlich fordern wir, dass Bildung und damit gerade die Arbeit in den Kinderbetreuungseinrichtungen gebührenfrei sein sollen und auch müssen!
Wir wollen den Zugang für alle, wir wollen Chancengleichheit und wir wollen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sichern – bezahlbar!
Aber ohne Hilfe von den höheren Ebenen, die uns diese Aufgaben mit Rechtsansprüchen übergeben haben, ist es nicht zu stemmen!
Derzeit decken die Eltern im Durchschnitt rund 12 % der Kosten, das Land gerade mal 30 %. Den Rest muss die Kommune decken. Wir schießen jeden Monat über 500,00 Euro je Kind zu!
Gebührenerhöhungen im Gebührenhaushalt „Kinderbetreuung“, möglichst mit Ausgleich des Gebührenhaushalts – wir reden über etwa 2 Mio. EURO, sind völlig utopisch.
Am 04.11.19, dem Tag unserer Sondersitzung lief um 20.15 Uhr die Sendung defacto im HR-Fernsehen u.a. mit dem Thema: „Wie Kommunen unter der Finanzlast leiden!“.
2 Beispiele gab es stellvertretend für die Hessischen Kommunen im Fernsehbeitrag:
- Die Stadt Ortenberg mit gut 9.000 Einwohnern, in der Größe vergleichbar mit Gudensberg, liegt bei den Gebühren für die U3-Betreuung bereits bei 460,00 EURO je Kind und Monat. Unser Ganztagsplatz liegt noch bei 260,00 EURO!
- Die Gemeinde Echzell mit etwa 5.800 Einwohnern, etwas größer als unsere Kernstadt, hat ein Defizit im Bereich der Kinderbetreuung von 1,4 Millionen EURO und hat ihren Hebesatz für die Grundsteuer B auf 530 % erhöhen müssen. Wir liegen bei 300%.
Ich zitiere die Sendung: „Die Gebühren können nicht deckend erhoben werden. Einziger Ausweg: Eine Erhöhung der Grundsteuern!
Für nahezu alle ist die letzte Option eine Erhöhung der Grundsteuer!
Eigentlich wollen wir auch die Steuerhebesätze möglichst gering halten, um die Bürger möglichst gering zu belasten. Die Sätze sollen vergleichsweise günstig sein.
Und tatsächlich gibt es nirgendwo günstigere Grundsteuerhebesätze in unserem Kreis als bei uns! Und in Hessen sind wir von 423 Kommunen bei der Grundsteuer B auf Platz 14 der günstigsten Kommunen!
Doch schon seit vielen Jahren mussten schon viele Kommunen in Hessen die Grundsteuerhebesätze beträchtlich anheben.
Bereits seit langem fordert der Bund der Steuerzahler für Hessen daher eine allgemein geltende Obergrenze von 600 % Der Durchschnitt liegt in Hessen bei 458 %. Das Land erwartet, dass wir uns auf einen Hebesatz von 365 % zu bewegen.
Und sie unterstellt uns sogar, mehr Einnahmen zu erzielen, als wenn wir die 365 % hätten und kürzt mit der Begründung Zuweisungen an uns!
Nun liegt der Vorschlag vor, auf den wir uns gemeinsam geeinigt haben:
Die Erhöhung auf 400 % für die Grundsteuer A und B.
Diese Erhöhung deswegen, weil wir nicht nach einer erneuten Anhebung des erwarteten Hebesatzes seitens des Landes wieder eine Anpassung vernehmen wollen.
Wir wollen aber vor allem auch weiterhin unter dem Kreisdurchschnitt bleiben, damit wir vergleichsweise günstig bleiben.
Die Stadtverwaltung hat uns vorgerechnet, dass durch die Erhöhung der Grundsteuer für bebaute Grundstücke pro Haushalt mit einer Mehrbelastung zwischen 40 und 50 EURO jährlich zu rechnen ist – wir reden also von durchschnittlich 3,75 EURO monatlich.
Herr Stadtverordnetenvorsteher, meine Damen und Herren,
die SPD-Fraktion wird dem Beschlussvorschlag zustimmen.
Allerdings erwarten wir, dass alle kommenden Maßnahmen auf ihre soziale Verträglichkeit geprüft werden und wir gegebenenfalls Härtefälle auffangen.
Wir hoffen aber auch auf eine Sensibilisierung der Bevölkerung und speziell der Eltern im Hinblick auf eine gemeinsame Protestaktion für eine bessere Finanzausstattung, um die Leistungen gerade in der Kinderbetreuung weiterhin auf hohen Niveau aufrecht zu erhalten.
Wir erwarten von der Landesregierung eine konsequente Beachtung des sogenannten Konnexitätsprinzips, wie wir auch schon einmal in einer gemeinsamen Resolution gefordert haben.
Danach gilt: „Wer bestellt, bezahlt!“. Dabei müssen insbesondere die den Kommunen übertragenen Aufgaben mit Rechtsansprüchen der Eltern auskömmlich finanziert werden.
Vielen Dank!