Heute gekürzt – morgen geschlossen: Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs in Hessen

Diese neue Serie soll über den Kommunalen Finanzausgleich im Allgemeinen, die Neuordnung des Kommunalen Finanzausgleichs 2016 in Hessen sowie über die Auswirkungen für die Stadt Gudensberg informieren.

Was ist der Kommunale Finanzausgleich? Warum eine Neuordnung?

Kommunaler Finanzausgleich (KFA)

Der kommunale Finanzausgleich (KFA) ist ein Mechanismus zur Angleichung (nicht Nivellierung) der Finanzkraft der Kommunen des Landes. Durch die zugewiesenen Finanzmittel soll es den Kommunen insbesondere ermöglicht werden, ihre Aufgaben in finanzieller Eigenverantwortlichkeit wahrzunehmen.

Artikel 137 Abs. 5 Hessische Verfassung verpflichtet das Land Hessen, den Kommunen die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Geldmittel im Wege des Lasten- und Finanzausgleichs zu sichern. Die Einzelheiten sind im Finanzausgleichsgesetz geregelt.

Mit dem Kommunalen Finanzausgleich soll die unterschiedliche Finanzkraft der Kommunen zu einem beträchtlichen Teil ausgeglichen werden. Der Kommunale Finanzausgleich fällt mit Ausnahme der Zuweisungen aus dem Landesausgleichsstock in den Aufgabenbereich des Hessischen Ministeriums der Finanzen.

Das "Alsfelder Urteil"

Mit Urteil vom 21. Mai 2013 hat der Hessische Staatsgerichtshof auf die Grundrechtsklage der Stadt Alsfeld wesentliche Vorschriften des Finanzausgleichgesetzes für mit der Verfassung des Landes Hessen unvereinbar erklärt. Bis spätestens zum 31. Dezember 2015 muss nach den Vorgaben des Gerichts eine Neuregelung getroffen werden. Damit ergibt sich die Notwendigkeit einer grundlegenden Neuordnung des Kommunalen Finanzausgleichs) in Hessen.

Ziel der Neuordnung ist es, alle Kommunen mit den notwendigen Mitteln auszustatten und so eine leistungsfähige, effiziente und moderne Verwaltung dauerhaft zu sichern.

Der Staatsgerichtshof gibt in seinem Urteil zwei Finanzausstattungsniveaus vor:
Die „Finanzielle Mindestausstattung" muss so bemessen sein, dass die Kommunen
•ihre Pflichtaufgaben und
•ein Mindestmaß an freiwilligen Aufgaben erfüllen können.

Dieses Finanzausstattungsniveau muss vom Land unabhängig von seiner finanziellen Leistungsfähigkeit sichergestellt werden.

Die „angemessene Finanzausstattung" bedeutet, dass die Kommunen auch über die finanzielle Mindestausstattung hinaus einen Anspruch auf eine zusätzliche Finanzausstattung haben. Dieses Finanzausstattungsniveau ist jedoch abhängig von der finanziellen Leistungsfähigkeit des Landes.

Der Staatsgerichtshof hat vor allem eine Ermittlung des zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Bedarfs der Kommunen als wesentliche Grundlage für einen neuen Kommunalen Finanzausgleich festgelegt. Aus diesem Bedarf ist dann unter Berücksichtigung der tatsächlichen eigenen Einnahmen der Kommunen, bestehender, aber nicht genutzter, Einnahmepotenziale und von Wirtschaftlichkeitsaspekten die erforderliche Finanzausstattung abzuleiten. Diese Ausstattung ist vom Land zu gewährleisten.

Unter Berücksichtigung der zeitlichen Vorgaben des Gerichts unterliegt die Reform einem straffen Zeitplan, da die Neuregelung bereits für das Jahr 2016 Wirkung entfalten muss. Der Gesetzentwurf für einen neuen Kommunalen Finanzausgleich (KFA) wurde am 24. Juni 2015 im Hessischen Landtag debattiert.

Wie kam es zum Alsfelder Urteil?
Klage der Stadt Alsfeld: Land muss Kommunen angemessen finanzieren

Um den eigenen Landeshaushalt zu sanieren, hat die schwarz-gelbe Landesregierung den Kommunalen Finanzausgleich (KFA) auf Kosten der Kommunen um 344 Millionen Euro gekürzt. Zusätzlich hatte Schwarz-Gelb mit dem Kommunalen Schutzschirm ein unsoziales Kürzungsprogramm durch, mit dem die Handlungsfähigkeit der Städte und Gemeinden in Hessen immer mehr eingeschränkt wird. Allerdings auch zu Lasten der Kommunen, die nicht unter den Rettungsschirm geschlüpft waren (wie Gudensberg) und nun wiederum über den Kommunalen Finanzausgleich den Rettungsschirm mit finanzieren dürfen. Damit wird eine sparsame Haushaltsführung bestraft.

Die Stadt Alsfeld klagte daraufhin vor dem Hessischen Staatsgerichtshof gegen die Kürzung des Kommunalen Finanzausgleich um 344 Millionen Euro jährlich.

Am 21.05. 2013 hat der Staatsgerichtshof in Wiesbaden in einem Musterverfahren die Klage der Stadt Alsfeld für rechtens erklärt und begründet, dass das von der Kommune kritisierte Finanzausgleichsgesetz (Finanzausgleichsänderungsgesetz 2011) wegen eines Verfahrensfehlers in weiten Teilen verfassungswidrig sei. Bis 31.12. 2015 müsse Art und Größenordnung der umstrittenen Umlage neu geregelt werden, entschied das Gericht.

Den Städten und Kreisen waren durch die Gesetzesänderung 340 Millionen Euro (jährlich!) gestrichen worden. Der jeweilige Finanzbedarf der Kommunen sei aber vor der Streichung nicht ermittelt worden.

Das Urteil ist nicht nur ein Erfolg für die Stadt Alsfeld, sondern auch für die gesamte kommunale Familie in Hessen. Der Landkreistag in einer Stellungnahme dazu: „Bei einem ordentlich ermittelten Finanzbedarf wird das Land feststellen, dass die Kommunen und insbesondere die Landkreise in Hessen dramatisch unterfinanziert sind und einer besseren Finanzierung bedürfen", so Landkreistagspräsident Fischbach zum Urteil.

Neuordnung des Kommunalen Finanzausgleichs (KFA) verabschiedet

Am 23.07.15 hat der Hessische Landtag mit den Stimmen der schwarz-grünen Mehrheit die umstrittene Neuordnung des Kommunalen Finanzausgleichs (KFA) verabschiedet. Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) sagte dazu, für die hessischen Kreise, Städte und Gemeinden stehe 2016 die Rekordsumme von fast 4,4 Milliarden Euro bereit. Die meisten Kommunen erhielten mehr Geld als bislang. Die Opposition kritisierte erneut, das Land halte die Kommunen zu kurz. Städte und Gemeinden müssten Leistungen kürzen.

Das gilt es nachzuprüfen.

Der frühere Bürgermeister der Stadt Frankenberg, dann geschäftsführende Direktor des Hessischen Landkreistags und seit dem 19. April 2015 neu gewählte Landrat des Kreises Bergstraße, Christian Engelhardt (CDU), forderte mehr Mittel für die Kommunen ein, damit diese ihre Aufgaben auch erfüllen können. Er kritisierte auf seiner Homepage (http://www.christian-engelhardt.de/landratskandidat-christian-engelhardt-geschaeftsfuehrender-direktor-des-hessischen-landkreistags-fordert-vom-land-nachbesserung-beim-kfa/ ) die unverändert mangelhafte Finanzausstattung der hessischen Landkreise und forderte eine konsequente Umsetzung des seit 2002 in der Hessischen Verfassung verankerten Konnexitätsprinzips. Zitat: „Es muss gelten: Wer bestellt – bezahlt“.

Stattdessen würden den Städten und Kommunen immer mehr Aufgaben aufgebürdet, aber nicht die dafür nötige finanzielle Ausstattung an die Seite gestellt.

Im Kern geht es Christian Engelhardt um die „kommunale Selbstverwaltung“. Neben all den Pflichtaufgaben, welche die Kommunen erbringen, müssen auch noch Mittel für selbstgewählte „freiwillige Aufgaben“ verbleiben, dies garantiere die in der Verfassung garantierte Selbstverwaltung der Kommunen, so Christian Engelhardt.

Führt die Nachbesserung mit der „Durchreichung von Bundesmitteln“ an die Kommunen dann doch zu einer ausreichenden Finanzausstattung und erübrigt sich damit unsere Resolution?

Der Kompromiss der Kommunalverbände mit der Landesregierung mit der Nachbesserung der Neuordnung des Kommunalen Finanzausgleiches besteht im Wesentlichen darin, dass das Land nun bereit ist, die vom Bund fließenden Mittel nicht auf die Finanzausgleichsmasse anzurechnen.

Das sehen die kommunalen Vertreter zumeist jedoch als eine Selbstverständlichkeit und kein echtes Zugeständnis. Vor allem: Die substanziellen Mängel des Neuen Kommunalen Finanzausgleichs bestehen damit nach wie vor.

Bei Christian Engelhard haben wir noch einmal nachgefragt. Seine Antwort:

„Guten Tag Herr Höhmann, da ich an der abendlichen Sitzung zum Erzielen des Kompromisses gemeinsam mit Landrat Erich Pipa die Interessen der hessischen Landkreise vertreten und wir letztlich auch diesem Kompromiss zugestimmt haben, liegt die Antwort zum Teil auf der Hand: Der Kompromiss ist akzeptabel.

Aber – er ist eben ein gegenseitiges Eingehen auf den kleinsten gemeinsamen Nenner: In guten (Steuer-)Jahren profitieren wir mehr als nach dem alten Modell des KFA 2016 – und bekommen aber weniger, als wir nach der alten Rechtslage bekommen hätten. In schlechten (Steuer-)Jahren ist der neue KFA besser als die alte Rechtslage. Ein Teil der Änderungsvorschläge der Spitzenverbände wurde durch das Land übernommen – ein Teil nicht. Sehr viel hängt nun für die Landkreise von der Finanzierung der Flüchtlingsunterbringung ab. Hierzu wird derzeit noch verhandelt.“

Wie wir inzwischen wissen, wird die Finanzierung der Flüchtlingshilfe nicht über den Kommunalen Finanzausgleich abgewickelt werden.

Haushaltsexperte Norbert Schmitt (MdL, SPD) stellte unmittelbar nach dem erzielten Kompromiss fest, dass die Städte, Landkreise und Gemeinden immer noch 500 Millionen Euro weniger erhielten als ihnen nach dem KFA-Recht vor 2011 zustehen würde.

Und weiter: Der kommunale Bedarf würde künstlich herunter gerechnet. In die vom Gesetzentwurf der Landesregierung vorgesehene Bedarfsberechnung seien lediglich die Ist-Ausgaben eingeflossen. Vorhandene notwendige Bedarfe, die aber derzeit durch die Finanznot der Kommunen in der Vergangenheit nicht erfüllt werden konnten, bleiben außerhalb der Bedarfsermittlung. So fehlen alleine rund 900 Millionen Euro für die Erledigung von Pflichtaufgaben.

Auch die Stadtverwaltung Gudensberg hatte eine weitere „Herunterrechnung“ feststellen müssen. Mit der Anhebung der Referenzsätze für die Realsteuern (Gewerbe- und Grundsteuern) werden sparsame Kommunen mit niedrigen Steuerhebesätzen bestraft. Sie werden so bei der Ermittlung des Finanzbedarfs behandelt, als ob sie die höheren Steuereinnahmen in Höhe der Referenzsätze hätten.

Ergo: Wer (rechnerisch) mehr erhält, braucht weniger Finanzzuweisung vom Land.

Nächste Teile der Serie:
Wie wird der Finanzbedarf einer Kommune ermittelt? Der Finanzbedarf der Kommunen wird klein gerechnet!